Wie man vor 200 Jahren in Süditalien Pipi und Popo aus den Häusern holte



Wie man vor 200 Jahren in Süditalien Pipi und Popo aus den Häusern holte

Stell dir das Leben in Süditalien um 1825 vor. Enge Gassen, flirrende Hitze, das Zirpen der Zikaden – und kein fließendes Wasser in Sicht. Toiletten? Fehlanzeige. Stattdessen: Nachttöpfe. Aus Keramik, manchmal aus Zinn. Und das, was morgens darin landete, musste irgendwie wieder raus aus den Häusern.

Der ganz normale „Morgendienst“

In vielen Städten – von Neapel bis Bari – war das Entsorgen menschlicher Ausscheidungen ein eigener Berufszweig. Die sogenannten "monatti" oder "nettolatori" (je nach Region verschieden genannt) gingen nachts oder in den frühen Morgenstunden von Haus zu Haus. Mit Eimern, Wagen oder Fässern. Ihre Aufgabe: das Abholen der vollen Nachttöpfe, oft gegen ein kleines Entgelt oder als Teil einer städtischen Gebühr.

Kein angenehmer Job. Aber ein notwendiger.

Die Fäkalien wurden anschließend gesammelt – manchmal in großen Gruben außerhalb der Stadtmauer, manchmal einfach an bestimmten Sammelstellen in der Nähe des Meeres oder von Feldern. Dort verrottete das Ganze oder wurde, ja tatsächlich, als Dünger genutzt.

Wenn es kein "Abholservice" gab

In kleineren Dörfern oder abgelegenen Regionen gab es diesen Service oft gar nicht. Da ging man mit dem Nachttopf einfach selbst vor die Tür – meist früh am Morgen, wenn die Straßen noch leer waren – und kippte den Inhalt in den Rinnstein. Ein kurzer Ruf, der in vielen Städten Italiens üblich war, warnte die Passanten:

„Attenti all’acqua!“ – Achtung, Wasser!

Nur dass es sich selten wirklich um Wasser handelte.

Einige alte Häuser in Apulien oder Kalabrien zeigen noch heute kleine Öffnungen oder Abflüsse in den Mauern. Das waren oft improvisierte „Mini-Toiletten“, durch die man den Nachttopf einfach entleerte. Keine Kanalisation, keine Kläranlage – nur die Hoffnung, dass der nächste Regen den Rest erledigt.

Der Geruch von damals

Wie es in den Gassen gerochen hat, kann man sich heute kaum vorstellen. Sommerhitze, keine Müllabfuhr, Tiere, Menschen – und dazu die nächtlichen „Ausscheidungen“ der ganzen Nachbarschaft. Historische Reiseberichte aus dem 19. Jahrhundert beschreiben Neapel oder Palermo als wunderschön, lebendig, aber „nicht immer angenehm für die Nase“. Ein britischer Reisender schrieb einmal sinngemäß:

„Der Süden ist ein Paradies, solange man den Atem anhält.“

Treffend.

Persönlicher Einschub

Ich erinnere mich an einen Spaziergang durch ein kleines Dorf in der Basilikata. Eine alte Frau zeigte mir einen steinernen Brunnen und sagte: „Hier, hier haben wir früher alles gewaschen. Und da drüben, da wurde ausgeschüttet.“
Ich musste lachen. Und ein bisschen schlucken.
Diese Direktheit, diese Selbstverständlichkeit im Umgang mit Dingen, die wir heute sofort wegspülen, hat mich fasziniert.


FAQ: Fragen, die sich niemand stellt – aber jeder denkt

Wie genau funktionierte der Nachttopf-Service?
In größeren Städten gab es organisierte Systeme. Die Sammler kamen zu festen Zeiten, oft noch im Dunkeln. Sie trugen Schutzkleidung aus Leder oder dickem Stoff, manchmal mit Tüchern vor dem Gesicht. Der Inhalt wurde in größere Behälter umgefüllt und abtransportiert.

Wurde das wirklich als Dünger verwendet?
Ja, häufig. Besonders in ländlichen Regionen. Die „Nachtstoffe“ wurden auf Feldern verteilt – ein früher, aber effektiver Kreislauf.

Gab es Strafen, wenn man einfach alles auf die Straße kippte?
Offiziell ja. Viele Städte hatten Vorschriften, die das Entleeren auf öffentlichen Wegen verboten. In der Praxis? Wurde es oft ignoriert, solange niemand direkt getroffen wurde.

Wann änderte sich das System?
Mit dem Aufkommen moderner Kanalisationen im späten 19. Jahrhundert. In Städten wie Neapel oder Palermo begann man um 1880, erste Abwassersysteme zu bauen. Auf dem Land dauerte es deutlich länger – teilweise bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Gab es Alternativen zum Nachttopf?
In wohlhabenderen Häusern: ja. Kleine Innenhöfe mit Abfluss oder „Abtrittskammern“. Aber selbst dort landete alles irgendwann draußen – nur eben diskreter.


Fazit

Hygiene war vor 200 Jahren kein Selbstläufer. In Süditalien gehörte der Umgang mit dem „Alltäglichen“ einfach zum Leben. Heute spülen wir, drücken einen Knopf, und weg ist alles. Damals war das Handarbeit – wortwörtlich.
Vielleicht erinnert uns das daran, dass Bequemlichkeit immer eine Geschichte hat. Und manchmal eine ziemlich geruchsintensive.


Labels:
Geschichte, Süditalien, Alltag, Hygiene, 19. Jahrhundert, Kulturgeschichte, Italien, Nachttopf, Abwasser

Meta-Beschreibung:
Wie entsorgte man vor 200 Jahren in Süditalien Pipi und Popo? Ein realistischer Blick auf den Alltag, Gerüche und das einfache Leben ohne Kanalisation – sachlich, menschlich und mit einem Augenzwinkern erzählt.









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